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Kanalküste Belgien & Frankreich 2023

Der letzte Törn in 2023 war im September über ein Wochenende (Sa.-Mo.). Geplant war eigentlich ein Abstecher nach England, aber da nicht alle Crewmitglieder einen Reisepass hatten, mussten wir umplanen.
Alternative Planung war von Nieuwpoort nach NL-Roompot und über den Walcheren-Kanal zurück. Am Tag vor der Anreise hat sich aber auch das zerschlagen, da der Wind so schlecht stand und drehte, so dass wir die Strecke nicht geschafft hätten.

Also kurzfristig umgeplant: Neues Ziel: Boulogne-sur-Mer und zurück ein Zwischestop über Gravelines. 124 sm mit leider nur wenig Wind.

*** Ein vergammelter Youghurt-Becher zum Preis eines Cruisliners ***

Gechartert hatte ich eine Sun Odyssey 349 "Negroni" bei Westcoast-Sailing / Altair in Belgien. Trotz schriftlicher Zusage und Ausstattungsbeschreibung im Internet komplett ohne AIS, Kartenplotter unter Deck (wie beschrieben, aber ...) mit komplett veralterter elektronischer Karte, NAVTEX defekt, Fernglas defekt, kein Signalhorn oder sonstiges an Board, Werkzeug verrostet, Logge zeigt nur die halbe Fahrt d.Wasser an und der Motorstunden-Zähler zählt nicht mit. Tankanzeiger : Fehlanzeige. Dafür aber neue Segeltücher aus 2021 und ganz viele Fender und der Tiefenmesser zeigte etwas an (teilweise 0.0 m Tiefe). VHF-Funkgeräte hatte keinen GPS-Empfang (konnte ich selbst umstellen).

Ich hatte hier noch nie gechartert und werde es wohl auch nicht mehr, denn der Preis war zudem noch ziemlich teuer.

Letztlich mit erhöhtem Risiko sind wir Samstag gegen 08:30 küstennah in Richtung Süd-Westen gesegelt. Unmittelbar vor Calais zog dann Nebel auf und das ausgerechnet im Bereich der Zufahrt zum Hafen mit mehreren Fährschiffen zeitgleich ein- und auslaufend und Berufsschiffahrt von achtern.
Ohne AIS und ohne Radar waren wird blind und wurden auch nicht gesehen. Ohne Nebelsignalgeber waren wir auch nicht zu hören. Da Ankern an dieser Stelle keine Option war, blieb nur der Weg raus aus dem betonnten Fahrwasser, um den Frachtern aus dem Weg zu gehen, die nach Calais einlaufen wollten. Wir nahmen die Fahrt raus und nutzen unser Mobiltelefon und VesselFinder um die Positionen der Fährschiffe abzurufen, um einschätzen zu können, wann eine Lücke für eine freie Durchfahrt war.

Kein gutes Gefühl und für mich der Punkt, wo mir bewußt wurde, dass ich eine solche Situation nicht nochmals zulassen werde und im Zweifel eher den Törn absage, als ein Boot zu übernehmen, dass nicht ansatzweise verkehrssicher ist.
Dem Vercharterer war das im übrigen auch im Nachgang völlig egal.

*** Boulogne Sur Mer - ein angenehmer und freundlicher Hafen mit gutem nächtlichen Support (CH 12) ***

Nach einer Stunde hatte sich der Nebel gelichtet und wir sind dann ohne Zwischenfälle um 01:00 Uhr Nachts in Boulogne sur Mer eingelaufen. Übrigends ein schöner großer Yachthafen, mit einer sehr hilfsbereiten Hafen-Crew insbesondere auch Nachts über Funk mit Zuweisung eines freien Platzes und bei jeder Witterung gut zu erreichen.

Morgens gab es natürlich erst einmal ein Croissant und Baguette von der Boulangerie direkt am Hafen und einmal den Tidenhub von mehreren Metern genießen. Aber dann mussten wir auch schon wieder in Richtung Gavelines zurück, unserem nächsten Übernachtungshafen für Sonntag.

*** Graveline - hier ist besondere Aufmerksamkeit erforderlich - ***

Diesen sehr einmaligen Hafen kann ich nur empfehlen. Die Anfahrt erfolgt über einen 3 sm langen Kanal, der bei Ebbe trocken fällt. Ab 1,5 - 2 h nach Ebbe kann man es wagen, ihn zu befahren, aber immer schön in der Mitte bleiben, denn die Ränder sind versandet. Bei Nacht (wir waren erst gegen 23:00 Uhr dort angekommen) ist es schon eine einmalige Anfahrt bei der es am Ende durch ein offenes Schleusentor in den Hafen geht. Alles mit gedämpften Straßenlaternen am Rand des Kanals und einer Taschenlampe, um zu prüfen, ob die Wassertiefe ausreicht (der Tiefenmesser zeigte alles mögliche an, nur nicht die Tiefe).
Der Hafen samt Schleuse ist laut Hafenplan mind. 2,8m tief (auch bei Ebbe), was aber bei offenstehendem Schleusentor nicht so ganz zutrifft. Kurz: man fällt selbst an den Stegen teilweise trocken, zumindest mit 1,98 Tiefgang liegt man bereits am 2. Steg im Schlamm und kommt erst 3 h nach Ebbe wieder frei. In den Karten und im Handbuch ist davon nichts zu lesen. Aber offenbar wissen alle Bescheid und sind entspannt.
Ernst gemeinter Rat: nicht über die 3. Box je Steg hinausfahren, sonst steckt man im Sand fest. Dem Anlegebierchen hat das keinen Abbruch getan.
Das Nachbarboot hat uns freundlicherweise eine Karte für die Waschräume geliehen. Damit konnten wir uns nach dem Tag nochmal duschen und zur Toilette. Was wollten wir mehr.

Für mich war es eine positive Erfahrung. Es gab keine Schäden, nur etwas Wartezeit bis zum Einsetzen der Flut und eben einen 2. Kaffee. Wir hätten nur 2 h länger schlafen können, wenn wir es gewußt hätten. Sonst ein idyllischer kleiner Hafen ohne viel Verkehr (wie auch, bei dem Tiefgang ;-) ).

Zurück nach Nieuwpoort ging es dann am Montag (3. Tag) und dort noch tanken und damit war das Wochenende leider schon wieder vorbei. Gedacht war es als Übungstörn für Gezeitenplanung und Nachtfahrt. Die Zielsetzung hat es vollständig erfüllt und der Startpunkt Nieuwpoort ist ideal für 3-Tages-Törns in alle Himmelsrichtungen.