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SSS-Praxisprüfung

Glückwunsch! Sie haben bestanden!

Das war der erlösende Satz am Ende einer mehrstündigen Praxisprüfung in Breege auf Rügen für den SportSeeSchifferschein (SSS) im Juni 2024.

Meine 4-teilige Theorieprüfung hatte ich bereits im November 2023 erfolgreich bestanden. Jetzt stand noch die Praktische Prüfung an, die ich gerne im Vorfeld meiner Azoren-Auszeit absolviert gehabt hätte. Leider habe ich die MOB-Übung in meiner ersten Prüfung im Februar 2024 nicht im ersten Versuch erfolgreich gefahren und war somit durchgefallen, denn im Gegensatz zum SKS gibt es beim SSS nur einen einzigen Versuch. Es ist eben eine Prüfung für professionelle Skipper / Yachtführer und da müssen die Manöver fehlerfrei gefahren werden.
Auf den Azoren habe ich im April 2024 u. a. während meiner 3 Wochen Einhand-Fahrten mit einer BAVARIA 41 intensiv die Abläufe geübt, die mir im Februar Probleme bereitet hatten. Danach war für mich klar: was ich Einhand an Manövern incl. Rettungsmanövern auf dem Atlantik fahren kann, klappt mit einer Crew anschließend auch im saichten Wasser vor Rügen. Und so war es dann auch.

Für Interessierte hier die Prüfungsthemen der beiden Praxisprüfungen:

  • Wetterkunde
  • Wetterbasierte Routenplanung
  • Navigationsinstrumente (Kartenplotter)
  • Radar-Nutzung
  • Standort-Peilungen (Radar-Peilung, Kreuzpeilung)
  • Betonnung (Tag / Nacht)
  • Notfallmanagement (Wassereinbruch, Feuer, Ruderausfall, Mastbruch bzw. Riss der Wanten, Strandung / Legerwall, Verlassen der Yacht auf Rettungsinsel)
  • Notfall-Signale
  • MOB-Übung
  • Segelkommandos / Crew-Management
  • Motorkunde
  • Gasanlage
  • Boardelektrik / Boardelektronik
  • Mannöver (Anlegen, Ablegen, Manövrieren im Hafen mit anderen Schiffen)

*) Fett markierte Prüfungsaufgaben unterliegen strengen Anforderungen und führen bei Nichteinhaltung zum sofortigen Durchfallen/Abbruch der Prüfung.

Konkrete Fragen / Aufgabenstellungen waren unter anderem:

  • Wetterkunde
    • Anhand der Analysekarte des DWD vom aktuellen Morgen (0600 UTC) die Lage der wetterbestimmenden Hoch-/Tiefdruckgebiete aufzeigen und deren zu erwartende Zugrichtungen. Auf Basis der Isobaren-Verläufe und der Frontenverläufe der Analysekarte deren Auswirkung auf Windrichtung, Windstärke und Niederschlag darstellen für den Prüfungsstandort
    • Ergänzt um den ausformulierten Seewetterbericht die Zuggeschwindigkeiten der Druckgebiete einschätzen und eine Abschätzung machen, wann ein Frontenverlauf den Prüfungsstandort voraussichtlich erreichen wird und wie sich dies auf Wind und Niederschlag auswirken kann und wie sicher eine solche Einschätzung ist.
    • In anderen Prüfungen wurden auch die Fragen nach der Entstehung von bestimmten Fallwinden im Mittelmeer gefragt (saugende und blasende Bora sowie Mistral)
  • Wetterbasierte Routenplanung
    • Aufgrund der zuvor entwickelten Einschätzung zum Frontenverlauf eines Tiefdruckgebietes und der Isobaren-Dichte sollte eine Empfehlung für eine möglichst unkritische Route zu einem vorgegebenen Zielort getroffen werden.
      Im vorliegenden Fall wurde eine durch Landabdeckung geschützte ablandige Route bevorzugt, anstelle der streckenmäßig kürzeren Route durch ein Starkwind-Gebiet mit auflandigem Wind.
    • Grundsätzliche Ausweichmöglichkeiten für Tiefdruckgebiete wurden abgefragt; also - sofern machbar - ein Ausweichen auf die Rückseite des Tiefs.
  • Navigationsinstrumente (Kartenplotter)
    • Erfassung einer Route mit mind. 5 Wegpunkten und Erläuterung, wie eine Routenplanung auf dem vorliegenden Plotter erstellt werden kann (in unserem Fall ein B&G-Plotter Zeus7).
    • Erläuterung, wie die Segelstellung zwischen zwei vom Prüfer benannten Wegpunkten der zuvor eingegebenen Route sein wird (die Route war keine Gerade, sondern ein gewinkelte Verbindung, so dass sich Windrichtungswechsel ergeben würden). Erläuterung, wo auf dem Plotter die Information hierzu zu finden ist.
    • Angaben zu den auf dem Plotter vorhandenen Informationen geben incl. der Unterschiede zu den Wind-Angaben (TWD, TWS, APD, APS, APA, TWA).
  • Radar-Nutzung
    • Aktivierung / Standby / Deaktivierung des Radars (das Prüfungsboot hatte ein B&G/Simrad Multifrequenz-Radar)
    • Einstellung der Basis-Funktionen für Gain sowie Regen- und Seegangs-Filter und des Range-Bereiches
    • Justierung / Kalibrierung der Nord-Abweichung des Radarbildes bezogen auf das Kartenbild des Plotters und Synchronisation der beiden Bilder mittels Overlay
    • Bestimmung von Referenzpunkten für eine spätere Radarpeilung
  • Standort-Peilung
    Standort-Peilungen sind nicht wiederholbar und müssen beide innerhalb der zulässigen Toleranzen liegen, da die gesamte Prüfung sonst nicht bestand ist!
    • Radar-Seitenpeilung auf selbst gewählten Referenzpunkt (Tonnen als Referenzpunkte waren unzulässig! Es mussten Punkte an Land oder signifikante Uferbereiche gepeilt werden.). Die Radarpeilung durfte - verständlicherweise - nicht im Overlay-Modus mit dem Kartenplotter erfolgen, sondern isoliert ausschließlich als Radarbild und musste anschließend auf der Seekarte abgetragen werden zur Standortbestimmung.
      Zulässige Abweichung: ca. 1-2 Gradminuten
    • Kreuzpeilung auf 2 Landmarken (Windrad und Fernsehturm), die auf der Seekarte eingetragen waren. Peilung konnte wahlweise mit Handkompass oder Fernglas erfolgen. Wesentlich war auch hier die exakte Messung.
      Auch hier galt: Zulässige Abweichung: ca. 1-2 Gradminuten
    • Sofern die Abweichung größer als der zulässige Wert war, konnte bei geringfügiger Überschreitung die Abweichung noch begründet werden. Z. B. durch die Fahrt im Boot und dem Versatz zwischen 1. und 2. Messung oder einer ggf. zu spät erfolgten Mitteilung an den Prüfer, dass die Messung durchgeführt wurde, da er mit dem Moment der Mitteilung den Bootsstandort auf dem Tablet markiert. Dies natürlich nur dann, wenn diese Begründung auch zutreffend und plausibel war.
  • Betonnung (Tag/Nacht)
    • Frage nach Lichtzeichen und Aussehen von Kardinaltonnen, Einzelgefahren-Tonnen, verdoppelten Tonnen, abzweigenden Fahrwasser-Tonnen (alle diese Tonnen waren im Prüfungsgebiet auch vorhanden, ausgenommen verdoppelte Tonnen), Fahrwasser-Mitteltonnen
  • Notfall-Management
    • Simulation des Verhaltens bei Notfällen
    • konkrete Situationen sollten sein:
      • Verletztung (Platzwunde) durch Anprall an einen umschlagenden Baum (Patenthalse) und Erstversorgung der verletzten Person
      • Unterkühlungs-Behandlung nach Rettung einer Person aus kaltem Wasser
      • Wassereinbruch (hier wurde auf das Vorhandensein einer Übersicht der Notrollen geachtet, die zuvor vorbereitet worden und eingeübt worden war)
      • Feuer unter Deck (neben der Löschaktivität und Bereitstellung von Feuerlöschern wurde auch auf die Reaktion des Steuermanns geprüft, ob der den Motor startet und das Schiff in Richtung Flachwasser / Land lenkt)
      • gezielte Strandung und die Fragestellung, wie die Crew darauf vorbereitet wird (alle Man an Deck, Schwimmwesten anziehen, aber keine Sicherung über Sicherungsleinen, im spitzen Winkel möglichst auf einer Welle reitend auf den Strand und vom Boot abspringen)
      • Erläuterung, wie auf eine Rettungsinsel übergestiegen wird (relevant war hier das "Übersteigen", also warten, bis das Boot soweit gesunken ist, dass ein Übersteigen auf gleichem Niveau in die Rettungsinsel möglich ist und somit das Boot nicht zu früh verlassen wird, sofern kein Feuer an Board der Auslöser für den Einsatz der Rettungsinsel ist)
      • Im Rahmen der Vorbereitungswoche, wurden auch die anderen Situationen geübt und hätten jederzeit auch Bestandteil der Prüfung sein können
  • Notfall-Signale
    • Erläuterungen der Funktionen und Wirkungsweise sowie der Auslöse-/Aktivierungs-Mechanismen von
      • EPIRB
      • PLB
      • Radar-Antwortbarke
  • MOB-Übung
    Diese Übung darf in der SSS-Prüfung nur 1 x gefahren werden und muss erfogreich absolviert werden, da sonst die gesamte Prüfung beendet/nicht bestanden ist.
    • Einteilung der Crew für die Rollen während der Übung (Spotter, Fänger, Unterstützung für den Fänger, der ggf. das Spifall oder eine andere Leine für die Fixierung des Über-Board-Gegangenen bereitstellt und beim Bergen unterstützt, Rudergänger).
      Es wird zwar gesagt, dass der Prüfling bei der MOB-Prüfung nicht der Rudergänger sein müsste, sondern dies auch delegieren kann; bei meinen Prüfungen wurde jedoch darauf "Wert gelegt", dass der Prüfling die Position als Rudergänger einnimmt.
    • Anfahrt ist wahlfrei (Q-Wende wird akzeptiert, ist jedoch für Yachten weniger sinnvoll, da zu zeitraubend). Wir haben mehrere Manöver-Varianten getestet, sind dann jedoch bei einer Form des Quick-Stop mit Halse und Aufschießer geendet, die wir auch bei 6 Bft sicher fahren konnten. Ausgehend vom Amwind-Kurs fällt man zunächst ab auf Halbwind, holt das Vorsegel ein und holt das Großsegel dicht. Mit dicht geholtem Groß wird dann nach 3-4 Schiffslängen die Halse gefahren (Groß bleibt dicht) und dann erneut auf Halbwind zurückgefahren. Damit hat man ca. 2 - 2,5 Schiffslängen seitlichen Abstand zum MOB und fährt einen Aufschießer mit Lösen des Großsegels, sobald die Boje querab ist. Der Motor wird spätestens nach der Halse gestartet und die Anfahrt über den Motor in der Geschwindigkeit gesteuert und unmittelbar vor der Aufnahme der Boje aufgestoppt und ausgekuppelt. Im Gegensatz zum Jollensegeln oder der SBF-See-Prüfung muss also beim SSS der Motor aktiv eingesetzt werden, da ein reines MOB-Mannöver unter Segel in der Praxis auf einer Segelyacht unrealistisch ist. Hierbei kommt es ganz wesentlich auf den richtigen Winkel zum "echten" Wind an, da die Yacht bei Stillstand und Aufnahme der Boje im Wind stehen muss, das sie sonst unweigerlich mit dem Bug vertrieben wird und die Aufnahme der Boje nicht mehr gelingt.
      Das Zusammenspiel der Crew ist dabei wesentlich und eine ruhige und klare Einweisung und klare Verständigung mit dem Fänger/Spotter.
  • Segelkommandos / Crewmanagement
    • Die Segelkommandos sind zu verwenden.
      Möglichst ohne Ergänzungen wie "könntest du bitte ...., das wäre nett" oder so etwas. Klar und unmissverständlich.
    • Die Crew bzw. die angesprochenen Crewmitglieder müssen Rückmeldung geben, wie z. B. "Klar bei Großschot", so dass der Rudergänger auch ohne Blickkontakt weiss, wer geantwortet hat
    • Die Crewmitglieder sollen gegenseitig unterstützen, der Rudergänger soll das aktiv einfordern.
      Z. B. beim Einholen des Vorsegels muss ein Vorschoter die Furling-Leine einziehen. Hierzu muss der zweite Vorschoter oder der Großschoter die Vorschot übernehmen und mitführen. Wenn dies nicht von allein gesehen wird, muss der Rudergänger zur Unterstützung auffordern.
    • Leinen und Schoten sind unmittelbar nach deren Nutzung zu klarieren; der Rudergänger soll hierauf hinweisen, sofern die Crew es nicht selbständig durchführt.
    • Bei der Prüfung soll das Zusammenspiel der Crew erkennbar funktionieren und der Prüfling in der Rolle als Rudergänger soll erkennbar den Überblick und die Führungsrolle haben und die Umsetzung von Kommandos einfordern. Ggf. sind Personen unmittelbar auszutauschen, wenn sie offenkundig nicht funktionieren.
      Jeder Prüfling kann die Rollen/Positionen vor seinen Manöverprüfungen neu verteilen, so dass er sicher ist, dass die Rollen für ihn gut besetzt sind.
      Er haftet letztlich für das Gelingen seiner Prüfung durch das gesamte Team, was auch bedingt, dass in der Vorbereitungswoche möglichst keine Spannungen entstehen, die zu unliebsamen Reaktionen in der Prüfung führen. Diese gehen zu Lasten des Prüflings.
  • Motorkunde
    • Alle Elemente des Motors sind zu erläutern
    • Prüf-Verfahren für Öl, Kühlmittel, Impeller, Keilriemen usw. sind zu beschreiben und zu demonstrieren
    • Fehlerursachen am Motor sind zu erläutern und deren Behebung
  • Gasanlage
    • Sicherungs-Einrichtungen sind zu benennen und aufzuzeigen (5 Sicherungen innerhalb der Gasanlage)
    • Wartungs-/Prüfintervalle müssen benannt werden und Prüfsiegel aufgezeigt bzw. Prüfbericht
    • Vorgehen bei Gasgeruch (manuelle Lenzpumpe, Querlüften, kein Feuer, keine elektrischen Verbraucher, keine elektrische Lenzpumpe, Bodenbretter öffnen und Schöpfen)
  • Boardelektrik / Boardelektronik
    • Erläuterung der verschiedenen Stromkreise an Board der Yacht (230/110V - Landstrom, Konverter auf 12 V, 12 Volt Boardnetz)
    • Stromkreise im 12-Volt-Netz erläutern (Servicebatterien für Verbraucher wie Heizung, Durchlauferhitzer, Radio, Licht, 5V-USB-Anschlüsse / Starterbatterie für Motor/Zündung/Anlasser / 12 Volt-Batterie für VHF-Funkgerät / 12-Volt-Batterien für Ankerwinsch und Bugstrahlruder)
    • Sicherungskreise 230V, Unterbrecher für die 3-4 Stromkreise im 12-Volt-Bereich
    • Erläuterung des Batterie-Lademanagements
  • Manöver
    • Hafenmanöver sind zu fahren, dabei ist auf andere Schiffe im Hafenbecken zu achten. Die Prüfung genießt keinerlei Vorrechte und muss die Regeln beachten.
    • Anlegen mit wahlfreiem Manöver, jedoch passend zur Anlage-Situation und zur Windstärke und -Richtung
      Einteilung der Crew, keine Motoraktivitäten, solange noch Leinen im Wasser sind oder ein Crewmitglied noch die Leinen einholt
    • Ablegen mit korrekten Kommandos und Rückmeldung erst wenn die Aktion auch tatsächlich abgeschlossen ist (z. B. Kommando: "Vorleine los und ein" - Rückmeldung "Vorleine ist los und ein" und die Hände beide sichtbar in die Höhe gestreckt)
    • Beim An- und Ablegen ist keine Zeitvorgabe gegeben. Die Manöver können langsam gefahren werden und dürfen abgebrochen und neu angefahren werden, wenn die Anfahrt fehlerhaft eingeschätzt wurde (das natürlich nicht zu häufig, aber ein neuer Anlauf ist unschädlich).